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Case Study: Kataloge nach Maß

Case Study: Kataloge nach Maß

Dass Relevanz der Motor der Aufmerksamkeit ist, gehört eigentlich schon sehr lange zu den Weisheiten des Marketings. Doch gerade Versandhändler, deren größte Konkurrenz im Internet zu finden ist, entdecken die Individualisierung nur sehr zögerlich für sich.

Herkunft: Print Digital
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Die Zeiten, in denen die Familien in Deutschland jeden Herbst und jedes Frühjahr auf den dicken Neckermann- oder Otto-Katalog warten und dann gebannt am Küchentisch sitzen und bestellen, sind längst vorbei. Die ganze Welt ist schnelllebiger geworden und somit auch der Konsum. In der Konkurrenz zu Amazon und Co. müssen Kataloge deshalb schon einiges mehr bieten können.
Eine Lösung ist auch in diesem Fall die Individualisierung mit variablen Bilddaten und Texten. Als relativ kleine Rollenoffsetdruckerei hat sich die CW Niemeyer Druck GmbH schon früh auf die Herstellung personalisierter Printprodukte spezialisiert. „Im Lauf der letzten 15 Jahre, die wir jetzt in diesem Segment aktiv sind, haben wir gemerkt, dass Drucksachen im Allgemeinen immer kleinteiliger werden. Das gilt auch für Versandhändler. Gerade die großen Universalversender gehen immer weiter ab von den jährlichen Hauptkatalogen mit Hunderten von Seiten. Stattdessen vertrauen auch sie lieber auf Mailingaktionen in kürzeren Abständen“, erzählt Geschäftsführer Joachim Glowalla.

Liebe auf den ersten Blick

Ob alt oder jung, Mittel- oder Oberschicht – Werbung kann relativ schnell nerven. Die Frage ist also, wie es Versendern ermöglicht werden kann, mehr als nur die Adresse des Empfängers auf ein Stück Papier zu bringen, damit Verbraucher schlussendlich über das Medium angeregt werden, zu bestellen. Dabei ist es im Grunde unerheblich, ob sie dazu ins Internet gehen oder einen Bestellschein ausfüllen. „Eines beobachte ich als Drucker mit der Leidenschaft zum Papier schon ein Leben lang: Die meisten Menschen lehnen Werbung pauschal ab. Dabei ist die Aussage ‚Bitte keine Werbung‘ eigentlich nicht ganz korrekt. Das gilt nämlich nur für diejenige Werbung, die zurzeit keine wirkliche Relevanz besitzt. Werbung, die unterhält oder interessiert, ist durchaus willkommen. Ein Prospekt eines Elektronikhändlers ist 50 Wochen lang im Jahr nur Altpapier, das direkt im Papierkorb landet. Wenn ich mich aber mit dem Gedanken trage, einen neuen Fernseher oder eine neue Spiegelreflexkamera zu kaufen, ist genau dieses Prospekt mit einem Mal fürchterlich spannend.“

‚Cookies auf Papier‘ ist das Motto. Wenn bei Zalando oder Amazon irgendetwas angeklickt wird, begleiten diese Klicks den Verbraucher die nächsten Tage im Internetbrowser. „Genau diesen Mechanismus wollen wir auch für Printprodukte kreieren. Werbung soll für den Verbraucher relevanter werden“, ergänzt Joachim Glowalla. „Es gibt bestimmte Versandhausprodukte, die außerhalb der eigenen Vorlieben liegen. Ganz übertriebene Beispiele sind die Kinderbekleidung für den Single oder die Kittelschürzen für die Studentin. Das interessiert nicht. Und eine Werbesendung, bei der genau das auf dem Titel abgebildet ist, wird natürlich sofort weggeworfen. Wenn aber ein Prospekt im Briefkasten landet, das genau den Modevorlieben entspricht, hat das eine etwas höhere Wertigkeit. Und schon ist die Überlegung da, den Prospekt vielleicht einmal zur Seite zu legen.“

Erst die Idee, dann die Technik

Für jeden einzelnen Empfänger eines Katalogs einen bestimmten, zu ihm passenden Artikel in den Vordergrund zu rücken, ist im Grunde also eigentlich eine logische Konsequenz. Für das Team von CW Niemeyer war es Chance und Risiko. „Die Chance ist, dass man als Vorreiter den Markt noch definieren kann. Das Risiko ist, dass man genau das auch tun muss“, erklärt Joachim Glowalla.
Technik und Werkzeuge sind jedenfalls vorhanden. Das gleiche gilt gerade bei den Versendern auch für die Daten. Und doch setzt sich der Trend der Individualisierung hier nur sehr zögerlich durch. Dazu hinterlässt der reine Onlinehandel wie zum Beispiel Zalando in der Branche zu viele Spuren. Die Etablierten verlieren an Marktanteilen und die Controller beginnen zu sparen. Die Budgets sinken von Jahr zu Jahr. In einer solchen Situation ist es für Marketingverantwortliche unendlich schwer, zusätzliches Geld für etwas loszueisen, dessen Wirksamkeit sich bislang erst noch erweisen musste.

Was zu beweisen war

Diesen Beweis ist dann CW Niemeyer angetreten. „Wir haben die Idee ganz vielen Kunden präsentiert und vor zwei Jahren angefangen, den Markt zu sondieren, ohne überhaupt über die entsprechende Technologie zu verfügen“, erzählt Joachim Glowalla. „Nach dieser ‚Roadtour‘ passierte dann im Herbst 2011 etwas ganz Erstaunliches: Das Haus bonprix fand die Idee genauso spannend wie wir. Dass daraus schließlich eine erste Aktion entstanden ist, beruht auf einem Zufall, denn bonprix war ursprünglich gar nicht unser Kunde. Im Januar 2012 wurden dann schließlich als Test 150.000 Umschläge einer Vier-Millionen-Aussendung produziert. Und immer noch hatten wir keine Maschine bei uns im Haus installiert.“

Auch die Skepsis bei bonprix war groß. Der Kunde entschied, dass die Stammkundendaten für diesen Versuch nicht verwendet werden sollten. Letztendlich wurden Reaktivierungsadressen aus dem Konzern verwendet. Auf dem Titel wurde ein Artikel aus der Warengruppe dargestellt, aus welcher der jeweilige Kunde vor zwei bis drei Jahren zuletzt bestellt hatte.“, ergänzt Joachim Glowalla. Es passierte das ‚glückliche Wunder‘. Bei den reaktivierten Kunden, die einen individualisierten Katalog in den Händen hielten, war die Bestellquote wesentlich höher, als bei den bei statischen Umschlägen, die bei Kunden landeten, die regelmäßig bestellten.

„Das ist eigentlich gar nicht so verwunderlich. Niemand steht samstagmorgens auf und be-
schließt spontan, Bettwäsche zu kaufen. Wenn der letzte Kauf von Bettwäsche drei Jahre zurückliegt und damals die Qualität, der Preis und der Service gestimmt hat, dann wird durch ein entsprechendes Angebot ein zufriedener Kunde ein wenig mit der Nase darauf gestoßen, dass es vielleicht wieder an der Zeit wäre, Bettwäsche oder auch einen anderen Artikel zu bestellen. Das ist einfach das Thema: Eine relevante Botschaft erhöht die Aufmerksamkeit.“

Ein Beispiel macht Furore

Mittlerweile gibt es einige Versandhändler, die ihre Kataloge individualisieren. „Der Erfolg war da. Und die Branche zog nach. Einer unserer Kunden hat mit individualisierten Katalogumschlägen eine Bestellquote von über 40% erzielt. Dort steht deshalb jetzt die Überlegung im Raum, vielleicht auch Inhaltsseiten zu individualisieren. Für einen großen deutschen Reiseveranstalter produzieren wir ohnehin schon einen gesamten Prospekt mit variablen Inhalten. Wir haben aber auch zum Beispiel diverse Selfmailerprodukte mit 12 bis 16 Seiten für einen Versender individualisiert gefertigt.“

Natürlich zieht das gelungene Experiment auch ganz neue Ideen nach sich, zum Beispiel Katalogaufleger, die über die Adresse hinaus individualisiert werden, oder Postkarten, die nach Bestellung und Lieferung die bevorzugten Produkte präsentieren. „Ein Versender aus dem Kosmetikbereich zeigt auf diesem Weg Pflegeprodukte, die zum jeweiligen Kunden passen. Dazu gehören etwa Cremes und Kosmetika für trockene Haut, wenn bereits ein entsprechendes Lotion gekauft wurde.“

Dieser Mechanismus funktioniert sehr gut und auch die Profilinformationen stellen in der Regel kein Hindernis dar. Geschlecht, Konfektionsgröße und bevorzugter Kleidungsstil ergeben sich für ein Modehaus beispielsweise allein aus den Bestelldaten. „Eine Kundin, die weiße Blusen und dunkle Hosenanzüge bestellt, nutzt diese Kleidung wohl überwiegend beruflich. Wenn man dann noch weiß, in welchem Kleidungsstil die gleiche Kundin Casual-Bekleidung bestellt, kann man daraus ein sehr exaktes Modeprofil ableiten, ohne dass die Datenbank großartig analysiert werden müsste. Der Versender braucht lediglich die Datenbank nach Kundinnen zu durchsuchen, die Artikel A, B und C bestellt haben, vielleicht auch in Kombination mit einem bestimmten Schuh oder irgendwelchen Accessoires. Ein belgischer Modehändler hat dieses Konzept sogar soweit perfektioniert, dass die Kunden Monatskataloge bekommen, bei denen die Accessoiresseite nur Artikel in der vom Kunden bevorzugten Farbe enthält. Wenn eine Kundin ihre Kleidung gerne in Blautönen bestellt, bekommt sie dort passende Halstücher und Gürtel präsentiert.“

Der Erfolg einer Idee

„Auf unseren Erfolg bin ich stolz, aber phasenweise hat mir das auch Angst gemacht. Man fragt sich schon, warum bisher kaum jemand die Individualisierung bei Katalogen umsetzen wollte. Sogar die Vergleichsangebote, die Kunden eingeholt hatten, wurden als technisch nicht machbar abgelehnt, obwohl dort die Technologie schon vorhanden war. Und als kleines Unternehmen kämpfen wir schließlich auch mit allen Widrigkeiten am Druckmarkt, mit schlechten operativen Ergebnissen, mit einem dramatischen Preisverfall im klassischen etablierten Geschäft“, so Joachim Glowalla. „Nun sind wir auf dem besten Wege dahin, dass unsere Rechnung voll aufgeht, auch wenn das noch ein schönes Stück Arbeit sein wird. Unser Modell funktioniert.“